Zuckerrohr mit dem botanischen Namen Saccharum officinarum gehört zur Pflanzenfamilie der Gräser. Dessen wilde Arten, seine Vorfahren, waren kleiner, nicht so zuckerhaltig und faseriger. Auslese und Züchtung veränderten das Zuckerrohr im Lauf der Jahrtausende. Heute kann die Pflanze bis zu 5 Meter hoch wachsen, mit stabilen Stängeln von 4-6 Zentimeter Durchmesser. Der süße Stoff steckt in dem Mark und ob ausgepresst oder gekaut, er schmeckt fruchtig-erfrischend und ist die Grundlage für CACHAÇA.
Schon vor Jahrtausenden wurde das süße Riesengras angepflanzt. Ursprünglich stammt es vermutlich aus Neuguinea. Von dort gelangte es nach Indien und Persien. In Indien wird es seit dem 5. Jahrhundert genutzt. Um 600 brachten die Araber das Zuckerrohr nach Europa ins Mittelmeergebiet und entwickelten eine Methode zur Zuckergewinnung. Kultivierte Plantagen entstanden und die Produktion um das Jahr 1000 war schon rege. Einhundert Jahre später entdeckten die Kreuzritter in der Ebene von Tripolis das „Honigschilf“ und importierten den kristallinen Süßstoff als Luxusartikel nach Mitteleuropa. Der Zucker war teuer und nur dem Adel, Königs- und Fürstenhöfen vorbehalten.
Da die Böden im Mittelmeerraum aber in kurzer Zeit ausgelaugt und die Wälder abgeholzt waren, kam die Zuckerwirtschaft in dieser Region bald zum Erliegen.
Der Anbau von Rohrzucker in Brasilien wurde eingeleitet von der portugiesischen Kolonialmacht. Die erste Mühle wurde von Afonso Martins de Souza im Jahre 1533, in São Vicente gegründet. Bald darauf breitete sich der Anbau an der gesamten Küste aus, mit einer schnellen Entwicklung im Nordosten, heute Pernambuco und Bahia.
Die Wahl für den Anbau von Zuckerrohr in Brasilien kam aus einer Entscheidung der portugiesischen Krone. Damals war die Verwendung von Zucker als Süßungsmittel (anstelle von Honig) noch in den Kinderschuhen. Das machte ihn wirtschaftlich höchst interessant für den gesamten Europäischen Markt. Sie erkannten, das das damalige Luxusgut Zucker ein profitables Geschäft ist. Es gab mehrere natürliche Gründe, einschließlich der fruchtbaren Erde Solo Massapé, die förderlich für den Anbau von Rohrzucker ist, sie wurde in Hülle und Fülle in dem brasilianischen Land gefunden. Die Tatsachen, dass Rohrzucker eine Pflanze ist, die eine Ernte ab dem zweiten Jahr ermöglicht, bis zu 20 Jahre alt wird, sich nach der Ernte einfach aus Spross-Stecklingen vermehrt, die sofort austreiben und neue Wurzeln schlagen, waren ausschlaggebend für das portugiesische Interesse an ihr. Zuckerrohr wächst bei möglichst viel Sonne und hohen Temperaturen schneller als die meisten anderen Pflanzen. Unter dem in Brasilien herrschenden feuchtwarmen, tropischen Klima fand die Pflanze also optimale Bedingungen.
Zuckerrohr wurde damit zu einem klassischen Kolonialprodukt, das unter brutaler Ausbeutung erzeugt wurde. Hunderttausende von afrikanischen Sklaven schufteten im 17. und 18. Jahrhundert unter unmenschlichen Bedingungen auf den Plantagen. Die Handarbeit in den Mühlen wurde von Sklaven und Indianern zusammen verrichtet. Das Schneiden des Rohrs mit der Machete war immer eine sehr harte Arbeit (die heute nur auf den wenigen ökologisch wirtschaftenden Farmen relativ gut bezahlt wird, die industrielle Zuckerrohr-Ernte wird jedoch weiterhin unter unwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen von Wanderarbeitern und Tagelöhnern erledigt).
Der erfolgreiche Anbau von Zuckerrohr in Brasilien weckte auch die Gier der Niederländer. Sie drangen in die Provinz Pernambuco ein, die zu diesem Zeitpunkt der größte Produzent von Zucker war. Während die Kolonialmächte miteinander kämpften, erwarben die Holländer zeitgleich Wissen und Kenntnisse über das Zuckerrohr. Nach der Vertreibung aus den brasilianischen Ländern beschlossen sie daher in die Praxis umzusetzen, was sie gelernt hatten und begannen den Anbau von Zuckerrohr auf den Westindischen Inseln. Die Spanier nutzten die Karibik.
Der Zuckeranbau leitete den „Zuckerzyklus“ der Kolonisationsgeschichte ein. Über nahezu 200 Jahre waren Anbau, Transport und Handel nach Europa die wirtschaftliche Grundlage der Kolonien und des Reichtums der Könige in Lissabon und Madrid, bis die ersten Goldfunde in Brasilien gegen Ende des 17. Jahrhunderts einen neuen Wirtschaftzyklus einleiteten. Mit der Entdeckung des europäischen Rübenzuckers um 1800 entwickelte sich Zucker allmählich zum täglichen Bedarfsgut für jedermann, allerdings ohne negativen Einfluss auf die stetig wachsenden Produktionsmengen von Zuckerrohr.
In der Erntezeit brennen die riesigen Felder der Zuckerrohrplantagen mit Flammen bis in den Himmel, überall ätzender Qualm und Gluthitze.
Brasilien: Die sozialen und ökologischen Folgen von der industriellen, Gewinn orientierten Massenproduktion von Zuckerrohr, den sogenannten „brasilianischen Zuständen“ im Zuckerrohrsektor sind jedoch hoch problematisch und im Grunde genommen nicht besser, nur anders als zu Kolonialzeiten. Es gibt weiter eine fortschreitende Abholzung von Wald für die Agrar-Industrie und deren Monokulturen, die Pestizide, die Rußbrand-Erkrankung, die Umweltverschmutzung und der Verschleiß der Plantagenarbeiter für billigen Alkohol-Treibstoff,… auch internationale Großkonzerne investieren in die brasilianische Ethanol-Industrie Milliardensummen. Damit die Welt in Brasilien einkauft.
Aber es geht auch anders, fair, hinsichtlich Ökologie und sozialen Kriterien. Mit partnerschaftlichen Handel, biologischen Anbau, Gewährleistung durch langfristige Abnahmeverträge, stabile Preise mit Biozuschlag, manueller Felderwirtschaft, Ernte ohne vorheriges Abbrennen, kleinstrukturierte Landschaft, in vielfältigen Biotopen ist dem Schädling ohne Pestizide beizukommen, müssen also auch nicht teuer zugekauft werden…